Chronische Kopfschmerzen
Havanna-Syndrom: Wie gefährlich sind unsichtbare Waffen?
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von Claudia FrickelEs klingt wie ein Spionage-Thriller: US-Diplomaten haben urplötzlich und ohne ersichtlichen Grund merkwürdige Beschwerden. Hinter dem sogenannten Havanna-Syndrom könnten Angriffe mit geheimen, unsichtbaren Waffen stecken. Galileo macht sich auf Spurensuche bei Opfern und Experten.
Das Wichtigste in Kürze
Das Havanna-Syndrom ist ein rätselhafter Krankheitszustand. Er wurde erstmals bei Angehörigen der US-Botschaft in Havanna (Kuba) entdeckt.
Die Betroffenen leiden von einem Moment auf den anderen unter merkwürdigen Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung - aber ohne offensichtliche Ursache. Sie hatten kurz vorher laute Geräusche wahrgenommen, die andere nicht hörten.
Wer oder was dahintersteckt, ist bis heute trotz umfassender Untersuchungen unklar. Gerieten sie ins Visier unsichtbarer Waffen? Haben Geheimdienste aus Russland oder den USA Mikrowellenstrahlen oder Ultraschalltöne eingesetzt, um Opfern zu schaden?
Galileo wollte wissen, was Physiker:innen und andere Expert:innen zu den Fällen sagen. Außerdem reiste Reporter Raphael Lauer zu einem Treffen von 200 Opfern und fragte sie, wie sich die angeblichen Angriffe angefühlt hatten. Sie erzählten ihm Erstaunliches.
Schau dir hier die Galileo-Reportage zum Havanna-Syndrom an:
Was ist das Havanna-Syndrom genau?
Das Problem beim Havanna-Syndrom: Die chronischen Beschwerden sind ziemlich unspezifisch. Sie erinnern an neurologische Störungen nach einer Gehirnerschütterung. Erkrankte können beispielsweise nicht schlafen, ihnen ist schlecht, sie haben Probleme mit dem Gleichgewicht, der Kopf tut weh, sie sehen nur noch verschwommen, sind schnell erschöpft und haben kognitive Ausfälle. Aber nicht bei allen tritt alles auf.
Besonders seltsam ist, was die Betroffenen erlebten, bevor ihre Symptome urplötzlich begannen. Sie wollen plötzliche, laute Geräusche gehört haben, unter anderem Klicken, Kreischen oder Zwitschern. Gleichzeitig spürten sie schmerzhafte Vibrationen und ein Druckgefühl. Die ersten Fälle des Havanna-Syndroms sollen schon 2014 bei Mitarbeiter:innen des US-Konsulats in Frankfurt am Main aufgetreten sein. Richtig aufgefallen ist die mysteriöse Erkrankung aber erst 2016 - eben in der Botschaft in Havanna. Seit 2021 gab es keine neuen Berichte mehr.
Die Symptome wurden inzwischen in vielen Staaten weltweit, unter anderem in den USA sowie in Kolumbien, Vietnam, Österreich und China registriert. Darum sprechen die US-Behörden jetzt lieber von "Unexplained Health Incidents", abgekürzt UHI. Auf Deutsch heißt das "ungeklärte Gesundheitsvorfälle". Die US-Geheimdienste untersuchten mehr als 1.500 Fälle von mutmaßlich Betroffenen. Scans sollen zeigen, dass bei einigen Patient:innen das Gehirn dauerhaft beeinträchtigt war.
Was könnte die mysteriösen Beschwerden auslösen - und wer steckt dahinter?
Nachdem das Havanna-Syndrom bekannt wurde, tauchten schnell Vermutungen auf: Dahinter würden unbekannte ausländische Angreifer:innen stecken, hieß es bei einigen US-Behörden. Zuerst stand Kuba im Verdacht, später der russische Geheimdienst.
Sie sollen geheime, nicht sichtbare Methoden eingesetzt haben, zum Beispiel Mikrowellen- oder Ultraschallwaffen. Letztere verwenden Töne, die Menschen nicht hören können, die aber etwa das Trommelfell zerstören und Schwindel auslösen. Schon in den 1970er-Jahren forschten sowohl die USA als auch Russland an solchen Waffen. Die Probanden entwickelten ähnliche Beschwerden wie beim Havanna-Syndrom.
Der US-Geheimdienst CIA erklärte 2022, dass das Syndrom nicht das Ergebnis einer "globalen Kampagne einer feindlichen Macht" sei. Aber was löst die Beschwerden dann aus? Haben die Betroffenen sich alles nur eingebildet? Das bleibt bis heute offen.
Galileo forscht nach - und macht eigene Versuche
Wie fühlen sich die Opfer mit ihren Symptomen, und was glauben sie, was dahintersteckt? Galileo-Reporter Raphael Lauer fragte einige von ihnen. Ein ehemaliger NASA-Mitarbeiter glaubt, dass eine Mikrowellenwaffe die Attacken verursacht hat - und zwar zielgenau von Satelliten aus dem All. Eine Anwältin ist dagegen sicher, dass Schallwaffen sie krank gemacht haben.
Für Galileo klingt das zu sehr nach Verschwörungstheorie. Der Reporter forscht darum bei einem Physiker der TU München nach, wie plausibel die Ideen sind. Gemeinsam machen sie Versuche mit Probanden und finden heraus: Sowohl eine Mikrowellen- als auch eine Akustikwaffe sind denkbar.
Wie solche unsichtbaren Waffen in der Praxis funktionieren würden und was ihre Nutzung in der Praxis erschwert, siehst du in der Galileo-Reportage. Dort erfährst du auch, warum der Neurologe, der Havanna-Syndrom-Opfer für das Pentagon untersuchte, bis heute davon ausgeht, dass eine Mikrowellen-Akustik-Kombiwaffe zum Einsatz kam.