Auf dem Kiez in Hamburg
Mythos Reeperbahn: Hinter den Kulissen der "sündigen Meile" in Hamburg
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von Claudia FrickelBars, Bordelle, Clubs und Kneipen: Die Reeperbahn ist bekannt für ihr pulsierendes Nachtleben. Aber hier tummelten sich auch Serienmörder und Zuhälter-Banden bekriegten sich. Wie die berühmteste Straße Deutschlands entstand und welche Orte einen besonderen Ruf haben.
Hier siehst du die Galileo-Reportage "Mythos Reeperbahn"
Das Wichtigste in Kürze
Die Reeperbahn ist die wohl bekannteste Straße Deutschlands und auch als "sündigste Meile der Welt" berüchtigt. Dort befinden sich viele Bars, Nachtclubs, Theater und Diskotheken.
Nur 930 Meter lang ist die Straße im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Das Amüsier- und Rotlichtviertel zieht jedes Jahr 30 Millionen Besucher:innen an. Zum Vergleich: Nach Las Vegas kommen im gleichen Zeitraum knapp 40 Millionen Menschen.
Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre hatte das organisierte Verbrechen die Reeperbahn fest im Griff - mit rivalisierenden Banden, Drogenhandel und Zuhältern.
Mehrere Serien-Killer gingen auf dem Kiez ein und aus. Heute ist das Viertel sicherer, obwohl es immer noch illegale Aktivitäten gibt.
Ursprünglich waren in dem Viertel Taumacher und Seiler tätig, daher hat die Straße ihren Namen. Doch schon im 17. Jahrhundert hatten sich dort Amüsierbetriebe angesiedelt.
Berühmte Orte auf der Reeperbahn
🏙️ Die Reeperbahn ist Heimat des zweitgrößten Rotlichtviertels in Europa, nach Amsterdam. An guten Tagen kommen bis zu 50.000 Menschen in die Gegend. Die Reeperbahn ist zwar eine Straße, gemeint ist damit aber meist das ganze Viertel. Das Zentrum der Vergnügungsmeile bildet die Große Freiheit, die von der Reeperbahn abzweigt.
🚫 Die Herbertstraße ist ebenfalls berühmt: Die enge Straße ist von beiden Seiten gesperrt. Zutritt haben nur Männer ab 18 Jahren, Frauen dürfen nicht hinein. Prostituierte präsentieren sich auf Hockern in den großen Fenstern der Häuser.
👮 Auf der Reeperbahn gibt es einige legendäre Bars, Clubs und andere Orte. Die Davidwache liegt mitten auf dem Kiez und gilt als bekannteste Polizeidienststelle Deutschlands. Das Eros-Center war einst das größte Bordell der Welt.
🥊Die 1974 eröffnete Kneipe "Zur Ritze" hat keine Fenster, dafür aber einen eigenen Boxkeller. Dort trainierten schon die Klitschko-Brüder. Die seit 1953 bestehende Kneipe "Zum Goldenen Handschuh" ist jeden Tag 22 Stunden geöffnet. In der "Ritze" wurde ein Zuhälter an der Theke erschossen, im "Goldenen Handschuh" verkehrte ein Serienkiller.
⚓ Der Kiosk Mittenmang mit seiner integrierten Bar ist ein Treffpunkt für alle. Darunter befindet sich ein mehrstöckiger Keller, der einst Teil eines Tunnelsystems war. Die Gänge führten bis zum Hafen und wurden von Schmugglern genutzt - aber später ebenso als Zufluchtsort im Krieg.
🎭 Auf der Reeperbahn befinden sich zudem Theater wie das Schmidt Tivoli, das Imperial und das St. Pauli Theater.
Bandenkriege, Killer und der Pate von St. Pauli: Die brutalsten Zeiten der Reeperbahn
⚔️ In den 80er-Jahren machten rivalisierende Banden die Reeperbahn unsicher. Die größten waren die "GMBH"- und die "Nutella"-Bande, die sich beide aus Zuhältern und ihren Handlangern zusammensetzten. Sie kämpften um die Vorherrschaft bei Prostitution, Drogen und illegalem Glücksspiel. Zu ihnen gehörten Zuhälter wie "Der schöne Klaus".
🔪 Ab Ende der 60er-Jahre bis 1982 galt Wilfrid "Frida" Schulz als der Pate von St. Pauli. Der eitle und mächtige Zuhälter trug immer feine Nadelstreifen-Anzüge und hatte Kontakte zur US-Mafia. Er galt obendrein als sehr brutal: Gegnern erteilte er mit Messerstichen in den Po eine Lektion.
🦹 Werner Pinzner war ein skrupelloser Auftragskiller, der im Auftrag eines Bandenmitglieds fünf andere Zuhälter erschoss. Nachdem er 1986 geschnappt wurde, erschoss er zuerst seine Frau und dann sich selbst. Die Waffe hatte seine Anwältin ins Polizei-Präsidium geschmuggelt.
🧤Anfang bis Mitte der 70er-Jahre war ein anderer Serienmörder oft auf der Reeperbahn unterwegs. Fritz Honka suchte sich seine Opfer in Kneipen wie dem "Goldenen Handschuh". Er hatte es auf ältere Prostituierte abgesehen, die von niemandem vermisst wurden. Der Killer tötete vier Frauen, zerstückelte sie und versteckte die Leichenteile in seinem Haus.
Von Taumachern bis zum Vergnügungsviertel: So entstand die Reeperbahn
🗺️Die Reeperbahn gehört zum Hamburger Stadtteil St. Pauli. Dort siedelten sich ab dem Mittelalter Gewerbe an, die innerhalb der Stadt nicht gern gesehen wurden, oder die viel Platz benötigten.
🪢 Zur zweiten Gruppe gehörten seit 1630 die Taumacher und Seiler, auch Reepschläger genannt. Für die Herstellung von Schiffstauen brauchten sie eine lange, gerade Bahn. In der Seilerstraße drillten sie Seile bis 50 Meter Länge.
📏 Aber als die Schiffe immer größer wurden und der Bedarf nach längeren und dickeren Seilen wuchs, mussten längere Bahnen her. Um 1820 wurde die Reeperbahn parallel zur Seilerstraße angelegt, damals unter dem Namen Altonaer Allee. Dort entstanden bis zu 300 Meter lange Taue, die Reepe.
🐯 Im 17. Jahrhundert eröffneten die ersten Amüsierbetriebe im Viertel, darunter Spielbuden und ein Jahrmarkt. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Attraktionen dazu, etwa Shows mit exotischen Tieren, Tänzerinnen und Bauchrednern, Lokale, ein Wachsfigurenkabinett, Theater und Bordelle.
🎤 Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Reeperbahn einen Aufschwung. In dem Vergnügungsviertel hatte auch eine damals noch relativ unbekannte Band ihren allerersten Auftritt: "The Beatles" spielten ab 17. August 1960 mehrere Monate lang jeden Abend in einem Stripclub.