Sterneküche

Von Gummi zu Gourmet: Wie Reifenhersteller Michelin der Spitzengastronomie von Welt ein Profil gab

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von Andy Ilmberger
Heiß begehrt: Michelin-Sterne vom Restaurantführer "Guide Michelin"

Ein Michelin-Stern vom Restaurantführer "Guide Michelin"

Bild: picture alliance/dpa


Der renommierte Restaurant- und Hotelführer "Guide Michelin" verteilt jedes Jahr Sterne an die feinsten Küchen rund um den Globus. Sie gelten in der Welt der Kulinarik als wichtigste Auszeichnung. Dabei kannte die Firma Michelin bei ihrer Gründung nur eine Zutat: Gummi!

Das Wichtigste in Kürze

  • Lies hier die Geschichte, wie dank eines Reifenherstellers die Sterne in die Küche kamen.

  • "Sterneköchinnen" und "Sterneköche" gibt es in Wahrheit gar nicht - hier erfährst du, warum.

Küchensterne: alles begann mit einem Werkstattführer

Wir schreiben das Jahr 1889: die beiden Brüder André und Édouard Michelin kaufen im französischen Clermont-Ferrand eine kleine Kautschuk-Fabrik und verdienen ihre Brötchen mit der Produktion von Dichtungen, Kindergummibällen und Bremsklötzen für Kutschen. Nach zwei Jahren erfindet Édouard Michelin einen Fahrradreifen gefüllt mit Luft anstatt Vollgummi. Seine Erfindung bewährt sich zunächst bei diversen Fahrradrennen und bald auch bei Autorennen. Der Grundstein für den modernen Reifen sowie das heute zweitgrößte Reifenimperium ist somit gelegt.

Schon bald sind die herausragenden Reifen von Michelin in aller Munde - und auf vielen Fahrzeugen aller Art. Die Kundschaft wächst dermaßen rasant an, dass die Firma eine eigene Touristik-Abteilung ins Leben ruft. Sie veröffentlicht anno 1900 zur Weltausstellung in Paris den ersten "Guide Michelin", einen Werkstattführer mit einer Auflage von 35.000 Stück für die Auto- und Fahrradfahrer:innen Frankreichs.

Verwöhnprogramm für Leib und Wagen

Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich jener Werkstattführer zu einem praktischen und länderübergreifenden Touristik-Guide, der neben Werkstätten zusätzlich gute Restaurants und Hotels empfiehlt. Ab 1926 beginnt Michelin, außergewöhnliche Restaurants mit einem Stern auszuzeichnen. Das heutige Drei-Sterne-System besteht seit 1936.

Mittlerweile verteilt Michelin seine Sterne in über 30 Ländern auf fast allen Kontinenten - nur Australien fehlt bislang. Doch Michelins kulinarische Aufmerksamkeit ruht nicht und dehnt sich stetig aus.

Die Bedeutung der Sterne

Die Michelin-Sterne sind weltweit einheitlich und haben folgende Bedeutungen:

  • Ein Stern: "Eine sehr gute Küche, die Beachtung verdient."

  • Zwei Sterne: "Eine hervorragende Küche - einen Umweg wert."

  • Drei Sterne: "Eine einzigartige Küche - eine Reise wert."

Die Vergabe der Sterne basiert dabei auf fünf Hauptkriterien:

  1. Qualität der Produkte

  2. Beherrschung der Zubereitungs- und Geschmackstechniken

  3. Persönlichkeit des Küchenchefs in der Küche (die Handschrift des Kochs)

  4. Preis-Leistungs-Verhältnis

  5. Konsistenz zwischen den Besuchen

Die Vergabe der Sterne erfolgt stets heimlich durch anonyme Michelin-Inspektor:innen, die nach festgelegten Kriterien arbeiten. Diese Inspektor:innen sind Expert:innen in der Gastronomie und bewerten Restaurants weltweit.

Kochjacke mit zwei Michelin-Sternen... viel Stern, viel Ehr!

Kochjacke mit zwei Michelin-Sternen ... viel Stern, viel Ehr!

Bild: picture alliance/dpa


Warum es eigentlich gar keine Sterneköch:innen gibt

Ein interessanter Fakt, den kaum ein gastronomischer Laie kennt: Michelin vergibt seine Sterne immer nur an das Restaurant, nie an einen Koch oder eine Köchin persönlich. Vergleichbar mit der Meisterschaft einer Mannschaft, wo der Titel auch nie an den Coach geht, sondern immer an den Verein. Verlässt eine Sterneköch:in ein Restaurant, bleiben die Sterne beim Restaurant - sie müssen jedoch bei der nächsten Bewertung bestätigt werden.

Deshalb ist der Begriff "Sternekoch" tatsächlich irreführend, weil die Michelin-Sterne eben nicht an einzelne Personen, sondern an Restaurants vergeben werden. Sie zeichnen die gesamte kulinarische Leistung eines Hauses aus, die zwar maßgeblich von dem oder der jeweiligen Küchenchef:in geprägt wird, aber auch vom gesamten Team abhängt - von den Sous-Chefs über die Pâtisserie bis hin zum Service.

Der Begriff  "Sterneköch:in" bürgerte sich dennoch ein, weil der Küchenchef oder die Küchenchefin als kreativer Kopf und Gesicht des Restaurants im Mittelpunkt steht. Er oder sie prägt die Küche mit der persönlichen Handschrift, den Ideen und dem Können entscheidend. Wenn ein:e "Sterneköch:in" in ein neues Restaurant wechselt oder ein eigenes eröffnet, bringt er oder sie daher oft den Ruf mit, "mit Sternen dekoriert" zu sein, auch wenn die Sterne an das vorherige Restaurant gebunden waren.

Es müssen nicht immer Sterne sein

Neben den Michelin-Sternen gibt es natürlich noch andere renommierte Bewertungssysteme und Auszeichnungen in der Gastronomie, zum Beispiel:

  • Gault & Millau (mit Punkten und Kochmützen)

  • The World's 50 Best Restaurants (Ranking)

  • Guide Gusto (Schnecken als Symbol)

Michelin-Sterne, die übrigens eher wie Blumen aussehen, sind als Auszeichnung jedoch die bekanntesten und prestigeträchtigsten.

Sterne und "Sterneköch:innen" gibt es übrigens auch dieses Jahr wieder bei "The Taste" zuhauf. Wer diese Star-Köch:innen und deren Kandidat:innen in Aktion sehen will, der ist bei Deutschlands populärster Koch-Show bestens aufgehoben.